Ausgrabungen in Strom
im Bereich des ehemaligen Dorfes Stelle
Auf einer öffentlichen Beiratssitzung am 16.03.2009 im Ortsamt Strom stellte die Bremer Landesarchäologin Frau Prof. Dr. Halle die Ausgrabungen vor.
Begonnen wurde im Sommer 2008 über eine Dauer von über sechs Monaten bis in den Januar 2009. Ausgegraben wurden Wurten im Bereich des ehemaligen Dorfes Stelle, die von den aktuellen Straßenbauprojekten betroffen sind.
Allgemeiner zeitlicher Überblick:
Um 1063 ist Adelbert Erzbischof der Insula Bremensis, wozu auch Stelle an der Ochtum gehört.
Im 12./13. Jahrhundert wird das Land kolonisiert unter Leitung der Kirche. Holländer legen die Marschen trocken, was zur Landgewinnung sehr nötig ist durch die Bevölkerungsexplosion (nahezu eine Verdreifachung auf dem Gebiet der alten BRD, Verdopplung in Norddeutschland). Dabei erlebt Stelle seine Blütezeit zwischen 1150 und 1350. Die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmittel und Bau- und Brennholz ist schwierig. So werden Wälder abgeholzt (bis in den Harz), was dazu führt, dass der Rückhalt für Regenwasser immer weniger gegeben ist, so dass die Flüsse mehr Wasser und Schwebstoffe führen. In dieser Zeit haben Weser und Ochtum sehr breite Betten und es besteht eine große Hochwassergefahr, was wiederum der Grund für die Aufgabe der Steller Wurt gewesen sein könnte, denn um 1400 wurde die untersuchte Wurt verlassen und alles mitgenommen, so dass nur wenige Reste gefunden wurden. Auch aus den historischen Quellen verschwindet Stelle nach 1398.
In der Stromer Feldmark gibt es 16 bis 19 Einzelwurten (keine große Dorfwurt), die perlenschnurartig entlang des Mühlenhauser Fleetes liegen und seit 1975 unter Denkmalschutz stehen. Für den Autobahnbau wurde dieser für die Wurten 14 und 15 aufgehoben. Generell werden nach der EU-Konvention von Malta Ausgrabungen unterlassen im Hinblick auf zukünftig verbesserte wissenschaftliche Untersuchungsmethoden. Andererseits ist auch die schwierige Akquise von Forschungsgeldern ein Hinderungsgrund. Zur auch nur annähernden Vervollständigung der norddeutschen Sieldungsgeschichte wären allerdings noch sehr viele Ausgrabungen notwendig.
Die wenigen Mitarbeiter des Landesamtes für Archäologie wurden unterstützt von der Bremer Firma Nordholz, die sich bei der bundesweiten Ausschreibung durchsetzen konnte. Kostenträger war der Bund.
Die ältesten Funde aus dem Ortsteil Strom sind eine Steinaxt und eine Streitaxt aus der Jungsteinzeit, wobei die genauen Fundorte unklar sind. Aus der frühen Bronzezeit gibt es einen Flintdolch. Aus vorrömischer Zeit liegen Keramikfunde vor. Aus der römischen Kaiserzeit gibt es keine Fundobjekte, erst wieder aus dem Mittelalter.
1989 wurde eine Grabung auf der Wurt Strom 16 durchgeführt. Dabei fand man längs verlegte Hölzer mit Pfostenaussparungen zur Bodenverankerung. Die Originallänge der Bodenpfosten betrug bis zu 3,20 m, wovon noch ca. 2 m erhalten waren. Die Konstruktion wurde als Slip-Anlage für Boote interpretiert.
Möglicherweise handelte es sich auch um den Bau eines Sieltores. Leider wurden keine Dendro-Datierungen (Altersbestimmung des Holzes) vorgenommen. Man schätzte die Ansiedlung auf die frühe Neuzeit (15. Jahrhundert). Frau Prof. Dr. Halle datiert die gefundenen Scherben auf ca. 1400.
Die Wurten 14 und 15, auf denen 2008 gegraben wurde, waren wahrscheinlich ursprünglich als eine große Wurt angelegt auf einem natürlichen Sandrücken, künstlich aufgehöht mit Marschenboden in der Umgebung der sich häufig ändernden Flussbetten von Ochtum und Weser.
Das gleich am ersten Tag der Grabung gefundene Gefäß – ein Kugeltopf – wurde besonders vorsichtig geborgen, weil man aufgrund des Befundes der Metallsondenuntersuchung Münzen u. ä. darin vermutete. Zu diesem Anlass reisten auch Presse und Fernsehen an. Leider fand man aber kein Metall in dem Gefäß.
Es wurden mit Holzkohle ausgelegte Rinnen entdeckt, von denen mehrere ineinander mündeten. Es kann vermutet werden, dass die Wurt eine kleine Hafenbucht hatte, da dort im tieferen Wasser ein Holzpflock gefunden wurde. In diesem Hafenbecken fand man eine zweizinkige, metallene Forke, wie sie zur Heu- und Getreideernte benutzt wurde (und wird), deren Griff vermutlich abbrach. Anhand von Vergleichsfunden bei Soest konnte das Alter der Forke datiert werden auf ca. 1200.
Weiterhin fand man sehr viele Pfostenlöcher – sichtbar als Erdverfärbungen – aus denen die 70 – 80 cm tief eingebrachten Pfosten wieder entfernt worden waren. Die hierzu angefertigten Kartierungen müssen nun in der Nachbearbeitung Grundrissen zugeordnet werden.
Auch im Novemberschnee wurde wegen des Zeitdrucks aufgrund des Autobahnbaues weitergearbeitet. Kurz vor Weihnachten 2008 wurden noch sehr schöne Funde gemacht, so dass die Grabung noch einmal um drei Wochen verlängert werden konnte. So tauchten in 80 cm Tiefe noch sehr schöne Holzbefunde auf aus einem dort gefundenen Haus, aus dem mehrere Pfosten gezogen wurden, um sie in Hamburg einer Dendrochronologie zu unterziehen.
Am letzten Grabungstag wurde dann sogar noch ein Archäozoologe hinzugezogen, als man Knochen im anatomischen Verband vorfand. Es muss sich um ein junges Rind gehandelt haben, das im Graben um das Haus verendet ist. Allerdings gibt es keine Erklärung für das Fehlen dessen Kopfes. Auf dieser Wurt wurden keine Belege für den Betrieb eines Handwerks gefunden. Man lebte von Landwirtschaft und Wollverarbeitung.
Nach der Ausgrabung beginnt nun die eigentliche Forschung und Auswertung, die sehr zeitaufwendig ist. Ergebnisse können dann auf der Internet-Seite www.landesarchäologie.bremen.de eingesehen werden, ebenso wie das Bildmaterial.
Diese Dokumentation können Sie sich hier als bebilderte Version (pdf, 10.1 MB) anschauen oder herunterladen.